Serie Balkan: Was geht mich der Balkan-Konflikt an?

Unter der Kategorie „Serie Balkan“ wird es in größeren Abständen interessante Artikel mit Themenbezug zu den die Jugoslawienkriegen und ihren psychische Folgen geben. Der erste Artikel „Vergangen und Vergessen? – Die Jugoslawienkriege und ihre psychischen Folgen“ entstand für das Journal zur Münchner Woche für Seelische Gesundheit und ist vorab schon hier im Blog online.

Balkanstaaten
Die Staaten des ehemaligen Jugoslawien heute

Warum gerade die Jugoslawien-Kriege?

Ich bin vor längerer Zeit durch Zufall beim „rumzappen“ im Fernsehen auf einen Film gestoßen, der mich sofort gefesselt hat. „Das geheime Leben der Worte“ von Isabel Coixet. Der Film hat zunächst augenscheinlich mit dem Balkan-Krieg nichts zu tun, erst gegen Ende erfährt man etwas über das schreckliche Schicksal einer jungen Frau, die während des Krieges in einem Vergewaltigungslager gefangen genommen worden ist, einfach weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort war, und weil sie eine Frau war. Diese Lager, oft wurden dafür leer stehende Hotels verwendet, gehörten leider während der Jugoslawienkriege zum Alltag. Die Gewalt gegen Frauen wurde gezielt als Kriegswaffe eingesetzt. Man wollte die Frauen brechen, um der Zivilbevölkerung größtmöglichen schaden zuzufügen. Das betraf vor allem die muslimische Bevölkerung Bosniens. Das Wissen um diese Schicksale hat mich nicht mehr losgelassen, da sie die maximale Grausamkeit dieses Bürgerkrieges vor Augen führen, der vor nicht allzu langer Zeit IN EUROPA stattfinden konnte, ohne dass die internationale Gemeinschaft rechtzeitig etwas dagegen unternommen hätte. Gleichzeitig ist der Balkan-Krieg exemplarisch für viele blutige Bürgerkriege, die überall auf der Welt stattfanden und stattfinden und in denen unsagbare Verbrechen an der Zivilbevölkerung verübt werden. Vergewaltigung, Folter, „ethnische Säuberungen“, Völkermord, Kindersoldaten, Vertreibung und Flucht sind die makaberen Auswüchse des menschlichen Bösen, das scheinbar übergeordnete Motive wie Stolz, Ehre, Rasse, Nationalismus, religiöser Fanatismus oder was auch immer im Menschen hervorbringen können. Deswegen verstehe ich den Balkan Konflikt IN Europa NACH dem zweiten Weltkrieg als „universelle Warnung“, zum einen durch die räumliche Nähe zu uns, zum anderen durch die Tatsache, dass die Opfer und Zeuginnen und Zeugen noch heute überall unter uns leben. Zwei Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben einen Migrationshintergrund aus Jugoslawien und seinen Nachfolgestaaten. Und einige gehören zu meinem Freundeskreis. Sie sind heute zwar alle irgendwie  noch „Jugos“ aber  trotzdem unterteilt in Kroaten, Serben oder Bosnier. Sie sprechen die selbe Sprache, aber sie misstrauen sich noch heute, zumindest die Generation die in dem Alter ist, potentiell Opfer oder Täter gewesen zu sein. Wobei nach meinem Empfinden selbst diese Einteilung fließende Grenzen hat. Damit möchte ich keineswegs Täter in Schutz nehmen. Aber Gewalt ruft Gegengewalt und Vergeltungsaktionen hervor. Die Gewaltspirale dreht sich nach oben wie in einem Automatismus. Alle haben sich die Hände schmutzig gemacht. Daher wurden auch vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Serben, Kroaten und Bosnier verurteilt. Tatsache ist aber, dass die meisten verurteilten Kriegsverbrecher Serben waren. Serben unter Slobodan Milošević und Radovan Karadžić waren die Hauptagressoren dieses Krieges. Das Massaker von Srebrenica gilt als der größte Genozid in der Geschichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg.  Im Juli 1995 wurden in der Gegend von Srebrenica mehr als 8000 Menschen – fast ausschließlich Männer und Jungen zwischen 13 und 78 Jahren – getötet,  unter der Führung von Ratko Mladić der Armee der Republika Srpska, der Polizei und serbischen Paramilitärs. Und das alles trotz der Anwesenheit von Blauhelmsoldaten. So wurde das Massaker nicht nur zum Symbol des Bosnienkrieges sondern auch zum Symbol des Versagen Europas.

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Auflistung der Namen von Opfern des Massakers von Srebrebica in der Gedenkstätte Potočari Von Michael Büker – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

„Das geheime Leben der Worte“ war für mich die Initiation, mich genauer mit diesem Konflikt zu beschäftigen. Ich sah mir alle Spielfilme und Dokumentarfilme an, die ich finden konnte, las viel darüber und vor allem traute mich schließlich, meine Freunde „mit Migrationshintergrund aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens“ (umständlich aber politisch korrekte und einzig eindeutige Bezeichnung für „Deutsch-Jugos“) auf den Krieg anzusprechen und mit ihnen zu reden, wie sie selbst den Krieg erlebt haben. Einmal genauer nachgefragt, waren fast alle offen, in der Lage darüber zu sprechen und meine Fragen zu beantworten.

Daraus entsteht nun die „Serie Balkan“. Es ist keine leichte Kost, aber das „Hinschauen“ ist wichtig. Denn wir können ohnehin nie erfolgreich „wegschauen“, wenn wir die Nachrichten ansehen. Die meisten Bürgerkriege fanden und finden heute weit entfernt von uns statt und sobald sie mehr oder weniger erfolgreich gelöst sind, oder ein anderes Thema brisanter scheint, gehen die Medien zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Dass das Erleben und Überleben eines Krieges einen Menschen aber sein Leben lang prägt, verändert oder sogar psychisch für immer zerstören kann, das kann man sich nicht vorstellen, vor allem wenn man selbst im friedlichen West-Deutschland in den Achtzigern und Neunzigern aufgewachsen ist wie ich. Aber wer sich einmal mit diesen Schicksalen beschäftigt, den lassen sie nie wieder los. Doch es macht auch Mut, zu sehen, wie stark manche Betroffene sind und wie beharrlich sie sich durchs Leben kämpfen. Am Ende hat doch jeder Krieg nur Verlierer. Zu sehen wie Menschen ihr Leben lang leiden, verdeutlicht einmal mehr die Sinnlosigkeit von bürgerkriegerischen Konflikten,  sei es am Balkan, in Ruanda, Somalia, im Sudan, im Libanon, in Gaza oder in Syrien oder sonstwo auf der Welt.

Wenn ihr interessiert seid, einfach die Kategorie „Serie Balkan“ anklicken. Dann erscheinen alle unter dieser Kategorie veröffentlichten Blogbeiträge.

Oder einfach hier die Artikel Aufrufen:

„Vergangen und Vergessen? – Die Jugoslawienkriege und ihre psychischen Folgen“

„Die Jugoslawienkriege – eine Chronologie der Ereignisse“

„Wenn die Seele lautlos schreit – Ein Überlebender des Bosnienkrieges erzählt seine Geschichte“

Posttraumatische Belastungsstörungen: Fachwissen erklärt

„Ex-Yugos: Junge MigrantInnen aus Jugoslawien und seinen Nachfolgestaaten in Deutschland“ von Rüdiger Rossig

„Als gäbe es mich nicht“ von Slavenka Drakulić

Euer attitudeblog

(*Das Journal erscheint zur 6. Münchener Woche für Seelische Gesundheit, die vom 5. – 20. Oktober 2017 mit dem Schwerpunktthema „Migration“ stattfinden wird. Herausgeber ist das Münchener Bündnis gegen Depression.)

 

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