Lyrik der Woche: „Träumer mittleren Alters“ von Mascha Kaléko

Träumer mittleren Alters

Wie einen doch der große Weltschmerz quälte,

als man so etwa zwanzig Jahre zählte!

Nun wird man niemals wieder zwanzig sein.

Oft ist in mir ein seltsames Bedauern:

daß ich nicht traurig bin, das macht mich trauern

und hüllt mich in die alte Wolke ein.

 

Soll man die Wohlgeratenen beneiden,

die kühl und praktisch nie an Weltschmerz leiden,

weil ihre Herzen längst gestorben sind?

Ach, der Gedanke schon läßt mich verzagen.

Mein Schicksal bleibt es, Träumen nachzujagen,

ein hoffnungslos verlor’nes großes Kind.

Mascha Kaléko

Kaleko_Beitrag

Mascha Kaléko (gebürtig Golda Malka Aufen, geboren am 7. Juni 1907 im galizischen Chrzanów, Österreich-Ungarn, heute Polen; gestorben am 21. Januar 1975 in Zürich) war eine deutschsprachige, der Neuen Sachlichkeit zugerechnete Dichterin.

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