Im Namen von Donald Trumps „Null-Toleranz“-Einwanderungspolitik wurden in den USA zwischen 5. Mai und 9. Juni an der Grenze zu Mexiko über 2300 Migranten-Kinder von US-Behörden gewaltsam von ihren Eltern getrennt, da diese als illegale Einwanderer inhaftiert wurden. Fotos zeigen, wie sie in käfiggleichen Gitter-Boxen eingesperrt sind. Dieses Vorgehen wird nun aus allen Richtungen scharf verurteilt, auch seitens vieler Republikaner.
Justizminister Jeff Sessions, der die neue Asylpolitik am 7. Mai verkündet hatte, schob den Migranten die Schuld an ihrem Schicksal zu: „Wenn Menschen nicht von ihren Kindern getrennt werden wollen, sollten sie sie nicht mitnehmen!“ Vorige Woche zog er sogar ein Bibel-Zitat heran. Gesetze der Regierung seien zu befolgen, erklärte er unter Verweis auf Römer 13 – „weil Gott sie zum Zweck der Ordnung dazu ermächtigt hat“.
UN-Menschenrechtskommissar Zeid Raad al-Hussein kritisiert das Vorgehen der US-Regierung aufs schärfste. Sie komme „behördlich genehmigtem Kindesmissbrauch“ gleich. Schon der Gedanke, dass ein Staat versuche, Eltern abzuschrecken, indem er ihre Kinder einem solchen „Missbrauch“ aussetze, sei „skrupellos“. Das Kinderhilfswerk Unicef kritisiert die Eltern-Kind-Trennung als „völlig inakzeptabel“. Die katholischen US-Bischöfe forderten die US-Regierung auf, diese „schwere Sünde“ unverzüglich zu beenden.
Kritik an Trumps gnadenloser Härte üben auch Ex-First Ladys. Laura Bush verurteilte das Vorgehen als „grausam“ und „unmoralisch“: „Das bricht mir das Herz!“ Rosalynn Carter nannte Trumps „Null-Toleranz“-Politik „beschämend“ und eine „Schande“. Hillary Clinton erklärte mit Blick auf Sessions Rechtfertigung „dieser Grausamkeiten“ mit einem Bibel-Zitat, dass er den Grundsatz des Christentums verkenne. Denn Jesus habe nicht gesagt: „Lasst die Kinder leiden“. Laut einer CBS-Umfrage, lehnen 67 Prozent US-amerikanischen Bevölkerung diese Politik ebenfalls ab.
Amnesty International klassifiziert die Eltern-Kind-Trennung als Menschenrechtsverletzung und Folter:
Kinder, die brutal von ihren Eltern getrennt und in Käfige gesperrt werden – das sind die erschütternden Bilder, die die Folge der „Null-Toleranz-Politik“ von US-Justizminister Jeff Sessions sind und die die Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten dauerhaft beschädigen.
„Wir haben es hier mit einer unfassbar unmenschlichen Politik zu tun. Verängstigte Kinder werden aus den Armen ihrer Eltern gerissen und in überfüllte Hafteinrichtungen gebracht, bei denen es sich schlichtweg um Käfige handelt. Das ist nichts anderes als Folter. Um die gesteckten Ziele zu erreichen, fügen die US-Beamtinnen und Beamte den Familien bewusst schlimme psychische Leiden zu. Die Vorgehensweise der US-Regierung fällt damit sowohl nach US-amerikanischem Recht als auch nach dem Völkerrecht unter die Definition von Folter“, so die Direktorin für die Region Amerikas bei Amnesty International, Erika Guevara-Rosas.
„Es steht außer Frage, dass die Politik der Regierung von Präsident Trump darauf abzielt, den Familien erhebliche psychische Leiden zuzufügen, um andere Familien davon abzuhalten, auf der Suche nach Schutz in die USA einreisen zu wollen. Viele dieser Familien kommen aus Ländern, die von systematischer Gewalt und schweren Menschenrechtsverletzungen geprägt sind, darunter Honduras und El Salvador. Das Vorgehen ist ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte der Eltern und Kinder. Die US-Regierung verstößt damit außerdem gegen ihre Verpflichtungen auf Grundlage des Flüchtlingsrechts.“
Justizminister Jeff Sessions hatte die „Null-Toleranz-Politik gegenüber illegalen Einwandererinnen und Einwandern“ am 6. April 2018 vorgestellt. Seit dem Inkrafttreten dieses politischen Kurses sind an der Grenze zu den USA mehr als 2.000 Kinder von ihren Eltern oder erziehungsberechtigten Personen getrennt worden. Die Rechte der Kinder werden auf vielfältige Weise verletzt: Sie werden eingesperrt und von ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten getrennt. Zudem werden sie einem unnötigen traumatischen Erlebnis ausgesetzt, das ihre Entwicklung erheblich beeinträchtigen könnte.
Statistiken, die den Nachrichtenmedien vorliegen, lassen darauf schließen, dass möglicherweise bereits vor der Umsetzung des neuen politischen Kurses Tausende Einwandererfamilien unter der Trump-Regierung getrennt worden sind.
Amnesty International führte kürzlich 17 Interviews mit asylsuchenden Eltern, die gewaltsam von ihren Kindern getrennt wurden. Bis auf drei Elternpaare waren alle auf legalem Weg in die USA eingereist, in der Absicht, einen Asylantrag zu stellen.
„Die Behauptungen der Trump-Regierung entsprechen nicht der Wahrheit. Die grausame und unnötige Praxis wird nicht nur bei Familien angewandt, die die Grenze illegal überqueren, sondern auch bei Familien, die sich schutzsuchend an die USA wenden. Ein Großteil dieser Familien ist in die USA geflohen, um internationalen Schutz vor Verfolgung und zielgerichteter Gewalt im mittelamerikanischen Nördlichen Dreieck (El Salvador, Honduras, Guatemala, Anm. d. Red.) zu suchen, wo die Regierungen sie nicht beschützen wollen oder können“, sagte Guevara-Rosas.
US-Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen streitet ab, dass es eine Politik der Trennung von Familien gebe. Ihre Stellungnahme im Januar 2018 bestätigte hingegen, dass das Ziel des Vorhabens immer schon gewesen war, die Familien gezielt ins Visier zu nehmen: „Wir prüfen vielfältige Möglichkeiten, um unsere Gesetze dahingehend zu stärken, dass Eltern davon abgehalten werden, ihre Kinder hierher zubringen“. Ihr Vorgänger John Kelly, jetzt Trumps Generalstabschef, wollte den politischen Kurs schon im März 2017 einschlagen, um Einwandererfamilien und Asylsuchende „abzuschrecken“, in die USA zu kommen.
„Machen wir uns nichts vor, diese Trennung von Familien ist eine von der Regierung geschaffene Krise. Die US-Regierung spielt ein geschmackloses Spiel mit dem Leben der betroffenen Familien, indem sie die ernsthafte und wachsende Flüchtlingskrise als Bühne für politische Spielchen nutzt. Es geschieht das, was wir schon bei früheren Reformen des Einwanderungsgesetzes beobachten konnten: Die US-Behörden nehmen gezielt die zahlreichen Familien ins Visier, die auf der Suche nach Sicherheit in die USA kommen. Was die Betroffenen hier durchmachen, kommt zu dem Trauma und den Qualen hinzu, die sie zuvor ohnehin schon erleiden musste“, so Erika Guevara-Rosas.
Amnesty International fordert die US-Regierung auf, die unnötige, verheerende und rechtswidrige Politik der gewaltsamen Trennung von Familien unverzüglich zu beenden und diejenigen Kinder, die bereits getrennt worden sind, schnellstmöglich in die Obhut ihrer Eltern zurückzugeben.
Amnesty International ruft demnach zur Beteiligung an ihrer internationalen Online-Aktion auf.
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Nach dem weltweitem Entsetzen über die Familientrennungen an der Grenze zu Mexiko zog US-Präsident Trump vor zwei Tagen zwar die Notbremse. Kinder werden künftig zusammen mit ihren Eltern eingesperrt. Mit einer Anordnung beendet er die umstrittene Praxis. Beim Thema Einwanderung will Trump aber hart bleiben – wie es für die Kinder weitergeht, ist unklar.
Titelbild: Ein zweijähriges Mädchen aus Honduras weint, als Grenzschützer in Texas seine Mutter festnehmen nahe der US-Grenze zu Mexiko am 12. Juni 2018, © Getty Images, Foto: John Moore, via Amnesty International