Filmtip: „Ich werde nicht schweigen“ – Nachkriegsdrama nach einer wahren Begebenheit mit Nadja Uhl in der arte-Mediathek

1948 kämpft die junge Mutter Margarethe in Oldenburg um ihre Kriegswitwenrente. Dafür benötigt sie Papiere über die Dienstzeit ihres Mannes im Gesundheitsamt. Doch die junge Frau stößt überall auf verschlossene Türen. Als sie randaliert, wird sie in eine Heil-und Pflegeanstalt eingewiesen. Das Nachkriegsdrama (2017) beruht auf wahren Tatsachen. In der Hauptrolle: Nadja Uhl.

Norddeutschland 1948: Die junge Kriegswitwe Margarete Oelkers bringt sich und ihre beiden Söhne als Modellschneiderin mehr schlecht als recht durch. Die ihr zustehende Kriegswitwenrente erhält sie nicht, weil ihr eine Bestätigung über die Beschäftigung ihres Mannes beim Gesundheitsamt verweigert wird. Als sie deshalb auf dem Fürsorgeamt die Kontrolle verliert, wird sie von Dr. Ahrens, dem ehemaligen Vorgesetzten ihres Mannes, mit der Diagnose Schizophrenie in die Heil- und Pflegeanstalt in Wehnen eingewiesen. Die beiden Kinder kommen zu Margaretes Schwester aufs Land. Ein ganzes Jahr verbringt Margarete in der Anstalt und wird dort „behandelt“. Nach ihrer Entlassung wird sie unter die Vormundschaft eines Nachbarn mit brauner Vergangenheit gestellt. Traumatisiert kehrt Margarete in ihre alte Wohnung zurück und kämpft um ihre Rehabilitierung und das Sorgerecht für ihre Kinder. Sie fordert eine Bescheinigung von den behandelnden Ärzten, nie an Schizophrenie erkrankt zu sein. Doch dazu müsste Dr. Ahrens, Leiter des Gesundheitsamtes und früherer Chef ihres Mannes, eine Fehldiagnose einräumen. Margarete freundet sich mit Antje an, einer jungen Frau, deren Mutter während des Nazi-Regimes in Wehnen verstorben ist. Bald ahnt Margarete, dass in Wehnen mit den Kranken Ungeheuerliches passiert ist. Sie beginnt, die Aufzeichnungen ihres Mannes zu verstehen, der offenbar Vernachlässigung und bewusstes Tothungern ausgewählter Patienten in Wehnen heimlich dokumentierte. Sie sammelt all ihren Mut und stellt Dr. Ahrens zur Rede. Doch Ahrens lässt sich nicht so leicht einschüchtern … (Text: ARTE)

Trailer:

Link zum ganzen Film:

„Ich werde nicht schweigen“ in der ARTE-Mediathek

Filmdaten

Produktionsland: Deutschland – Originalsprache: Deutsch – Erscheinungsjahr 2017 – Länge: 89 Minuten

Regie: Esther Gronenborn – Drehbuch: Esther Gronenborn, Sönke Lars Neuwöhner

Besetzung: Nadja Uhl: Margarethe Oelkers – Janina Fautz: Antje Eversen – Barbara Philipp: Frau Schröder – Martin Wuttke: Erich Windhorst – Rudolf Kowalski: Dr. Paul Ahrens – Katja Flint: Frau Ahrens – Petra Zieser: Margarethes Schwester Erna – Marek Harloff: Dr. Gruner u.a.

Verfügbar bis 27/03/2020

Unbedingt Sehenswert!

Hintergrundinformationen:

Interview zum Film mit Nadja Uhl:

Dokumentation: „Planet Wissen – Euthanasie im Dritten Reich“

Nationalsozialistische Rassenlehre: Euthanasie im Dritten Reich – PlanetWissen

Dokumentarfilm von Ulrich Baringhorst und Andrea Böhnke

„125 Mark sind die Ausgaben für ein gesundes deutsches Schulkind. Um wie viel Prozent teuerer kommt dem deutschen Volk ein Geisteskranker oder Krüppel?“ – So lautete eine Rechenaufgabe in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Nazis verfolgten und ermordeten Kranke und Menschen mit Behinderung ebenso wie Juden und andere Gruppen. Sie hielten sie für „lebensunwertes Leben“, für „Parasiten am deutschen Volkskörper“. Daher planten sie ihre schrittweise Ermordung.

Die „Aktion T4“

Hitler selbst gab das Ermordungsprogramm in Auftrag. Die Nazis bezeichneten es auch als „Euthanasie“ – eine zynische Entfremdung des Wortes, das eigentlich einen leichten und schönen Tod meint. Das Programm lief unter dem Decknamen „Aktion T4“.

T4 steht für die Tiergartenstraße 4 in Berlin. Hier befand sich der Hauptsitz der Aktion. Ihr Leiter war der Chef der „Kanzlei des Führers“, Philipp Bouhler. Gemeinsam mit Ärzten, Pflegern und anderen setzte er die Tötung von mehreren Tausend Kranken und Menschen mit Behinderung um.

Das Vorgehen war genau organisiert: Schon 1939 versandten Mitarbeiter der Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten Meldebogen an alle infrage kommenden Pflegeheime und Anstalten im Deutschen Reich.

Für jeden Patient musste ein Meldebogen ausgefüllt werden. Erfasst wurden dabei die Krankengeschichte, die Aufenthaltsdauer, die Arbeitsfähigkeit und die Heilungsaussichten.

Das eigentliche Ziel der Befragung war den angeschriebenen Anstalten nicht bekannt. Anhand der Meldebögen entschieden dann die Gutachter in Berlin, ob die Betroffenen leben durften oder sterben mussten.

Fiel die Entscheidung auf Tod, lieferte die Gemeinnützige Krankentransportgesellschaft sie in spezielle Tötungsanstalten ein. Dort erwartete die Patienten der Tod durch Vergasung oder Giftspritze.

Mehr als 100.000 Opfer

Innerhalb eines Jahres ermordeten die Nazis mehr als 70.000 Kranke und Menschen mit Behinderung. Die Leichen äscherten sie ein. So konnten die Angehörigen keine Obduktion veranlassen. Zudem versandten sie Schreiben, in denen sie eine falsche Todesursache und einen falschen Todesort angaben.

Obwohl sich die Nazis bemühten, die „Aktion T4“ geheim zu halten, gerieten ihre Taten bald an die Öffentlichkeit. Die Mehrheit der Bevölkerung war empört.

Auch Mitglieder der Kirche protestierten gegen das menschenverachtende Vorgehen der Nazis – allen voran Clemens August Graf von Galen, der Bischof von Münster. Er hielt mehrere verurteilende Predigten.

Kurz darauf beendete Hitler die Aktion T4 offiziell. Im Geheimen gingen die Tötungen jedoch bis zum Kriegsende weiter. Zwischen 1941 und 1945 fielen etwa 30.000 weitere Menschen dem Euthanasieprogramm zum Opfer.

Für ein Erziehungsheim mit 130 Schwachsinnigen könnte man 17 Eigenheime bauen, lautet der Text auf einer Tafel aus dem sogenannten Rasseatlas, der in allen Schulen der NS-Zeit eingesetzt wurde. Menschenverachtende Kosten-Nutzen-Rechnung im Schulunterricht.

Rechtfertigung für die Massenmorde

Die Nazis fanden unterschiedliche Rechtfertigungen für die Massenmorde an Kranken und Menschen mit Behinderung. Hitler bezeichnete sie einmal als „Gnadenakt“, als „Akt der Erlösung“. Oftmals propagierten die Nazis in diesem Zusammenhang auch eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung.

Auf einem Propagandaplakat der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) hieß es etwa: „60.000 RM kostet dieser Erbkranke die Volksgemeinschaft auf Lebenszeit. Volksgenosse, das ist auch Dein Geld.“

Eine ultimative Berechtigung für ihr Tun fanden die Nazis ihrer Ansicht nach in der Biologie. Sie bezogen sich hierbei vor allem auf eine Theorie von Charles Darwin. Darwin ging davon aus, dass in der Natur ein ständiger Ausleseprozess herrsche. In diesem würden für das Überleben ungünstige Merkmale automatisch eliminiert.

Die Nazis verliehen diesem Gedanken eine rassistische Deutung: „Wir beschleunigen den in der Natur ohnehin vorhandenen Ausleseprozess. Ein Prozess, in dem sich nur die stärkere Rasse durchsetzen wird.“ (Text: Planet Wissen)

Weiterführende Infos auf der Seite zum Thema von Planet Wissen

Links:

Homepage der „Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten“

Filmkritik: „Kämpferisch mit Kamera“ von MORTICIA ZSCHIESCHE im TAZ-Archiv

„Psychiatrie im Nationalsozialismus: Gedenken und Verantwortung“ auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)

 

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