Warum Ihre Studie Geldverschwendung, frauenverachtend und heuchlerisch ist, Herr Spahn!

Sehr geehrter Herr Spahn,

sie bekamen soeben vom Bundeskabinett 5 Millionen Euro zusätzliche Mittel für Ihr Ministerium bewilligt, um damit eine Studie in Auftrag geben zu können, die untersuchen soll, ob sich eine Abtreibung negativ auf die psychische Gesundheit der betroffenen Frauen auswirkt. Für dieses Vorhaben werden Sie derzeit scharf kritisiert. Zurecht. Denn eine solche Studie ist Geldverschwendung, frauenverachtend und heuchlerisch. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass ich hier sehr starke Worte verwende. Ich erkläre Ihnen allerdings gerne warum.

Geldverschwendung…

ist die Studie deshalb, da die zu untersuchende Hypothese, nämlich ob es eine Kausalität zwischen einem Schwangerschaftsabbruch und psychischen Erkrankungen der betroffenen Frauen gibt. Nun, wie sie eigentlich wissen sollten, wurde diese Hypothese schon in diversen Studien valide und reliabel widerlegt.

Außerdem klammert sie die Fragestellung aus, inwieweit sich das Austragen einer ungewollten Schwangerschaft auf die psychische Gesundheit der betroffenen Frauen auswirkt. Oder welche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Frauen die staatlich angeordnete Zwangsberatung nach §218 und die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hat, die, nachweislich international finanziert, von sogenannten „Lebensschützern“ propagiert wird, unter denen Mitglieder Ihrer Partei zu finden sind.

Eine Auflistung der in der Vergangenheit vorgenommenen, wissenschaftlich fundierten Studien, die belegen, dass ein „Post-Abortion-Syndrom“ oder wie auch immer sie es nennen wollen, nicht existiert, hat die Berliner Bloggerin Diana Krebs vorgenommen. Nachlesen können Sie das die Auflistung der Studien z.B. hier auf der Seite des Solidaritätsbündnis für Kristina Hänel Nora Szász und allen anderen nach § 219a StGB angeklagten Ärzt*innen. Sie müssen die 5 Millionen Euro an Steuergelden also gar nicht für eine weitere Studie ausgeben, das ist doch eine gute Nachricht, oder nicht?

Frauenverachtend…

ist die Ihre Studie deshalb, weil sie auch im Jahre 2019 immer noch ein Frauenbild transportiert, in dem Frauen als unmündige Bürgerinnen dargestellt werden. Die Frau ist dem Mann allerdings verstandesmäßig nicht unterlegen. Das heißt, eine Frau kann sehr wohl für sich selbst entscheiden, ob sie eine ungewollte Schwangerschaft austragen möchte oder nicht, und für sich selbst beurteilen, was die jeweils eine oder andere Entscheidung an Konsequenzen für ihre psychische Gesundheit nach sich zieht. Es ist nicht notwendig, Frauen vor sich selbst zu beschützen. Notwendig ist das nur bei Menschen, die sich aufgrund einer bereits manifesten psychischen Erkrankung vorübergehend selbstgefährdend sind, oder bei Menschen, die Aufgrund einer geistigen Behinderung (IQ unter 70) als unmündig eingestuft werden. Das gilt allerdings für Frauen wie Männer gleichermaßen. Frauen sind mündige Bürgerinnen. Das ist doch auch eine gute Nachricht oder etwa nicht?

Heuchlerisch…

ist ihre Studie deshalb, weil das Inauftraggeben einer solchen den Eindruck erweckt, sie würden sich tatsächlich um die Frauen sorgen. In Wahrheit geht es Ihnen allerdings darum, ein Scheinargument zu produzieren, dass Ihnen aus vermeintlichem Mitgefühl weiterhin ermöglicht, an den starren weltanschaulichen oder religiösen Dogmen festzuhalten, die Sie und große Teile ihrer Partei dazu benutzen, das Recht auf körperliche Selbstbestimmung der Frau auch weiterhin zu beschneiden, um an den §§218 und 219 StGB festzuhalten, mit der Zielsetzung, ungewollt schwangeren Frauen den Zugang zu sicheren Abtreibungen so schwer wie möglich zu halten. Davor kann ich Ihnen nur abraten, denn es dürfte schwer werden, dass Ihnen das jemand abnimmt.

Allerdings…

wenn Sie sich allerdings tatsächlich so um die psychische Gesundheit von Frauen sorgen, habe ich noch eine sehr gute Nachricht für Sie: es gibt sehr viele Bereiche, in denen Sie 5 Millionen Euro, die sie ja jetzt übrig haben, zur Förderung der psychischen Gesundheit von Frauen, sinnvoll einsetzen können. Mir würden da direkt zwei Beispiele einfallen:

Beispielsweise ist jede fünfte Frau in Deutschland nach der Geburt eines (Wunsch-)Kindes von einer Postpartalen Depression oder einer Postpartalen Psychose betroffen. In keiner Lebensphase ist eine Frau so anfällig für eine psychische Erkrankung, wie nach der Geburt eines Kindes. Die bedeutet nicht nur erheblichen Leidensdruck für die Mütter selbst, sondern auch für die Väter, das Kind und zuletzt die ganze Familie. Leider ist dieses Thema, obgleich der hohen Prävalenzrate, nach wie vor stigmatisiert und tabuisiert, was alles noch schlimmer macht und schließlich auch gefährlich für die betroffenen Frauen und ihre Kinder werden kann. Denn viel zu wenige trauen sich, sich deshalb Hilfe zu holen, und das Versorgungsangebot ist nicht ausreichend. Sie könnten das Geld also für eine Aufklärungskampagne zur Enttabuisierung der postpartalen Depression und eine verbesserte Versorgung der betroffenen Mütter verwenden. Das wäre doch toll!

Natürlich gibt es unzählige weitere Möglichkeiten im Bereich der psychischen Gesundheit von Frauen, die sie alternativ wählen können. Beispielsweise wird in Europa jede dritte Frau, unabhängig von Einkommen, ethnischer Wurzeln oder sozialer Schicht mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von sexueller oder körperlicher Gewalt. Das wirkt sich, ebenfalls nachgewiesenermaßen, verheerend auf die psychische Gesundheit aus. Die Folge können u.a. Posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, Angststörungen, somatoforme Störungen, Zwangsstörungen oder Persönlichkeitsstörungen sein, die eine psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung zwingend erforderlich machen. Dazu wäre es z.B. von immanenter Bedeutung, für ausreichend ambulante und stationäre Therapieplätze zu sorgen, sowie die Kostenübernahme notwendiger Therapien durch die Krankenkassen zu gewährleisten. Sie wollten allerdings Geld sparen, indem sie den ohnehin schon schlechten Zugang von psychisch Kranken Menschen zu ambulanter Psychotherapie durch eine zusätzliche Prüfungsinstanz noch weiter erschweren wollten. Ich freue mich darüber, dass Sie sich auf die harsche Kritik hin, bereit zeigten, von diesem Vorhaben wieder abzurücken. Die 5 Millionen Euro wären also auch hier sehr sinnvoll investiert.

Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post absolut Recht hat, wenn er sagt, es sei „ein Skandal, für solchen Unsinn [wie Ihre Studie] Millionen auszugeben“. Selbstverständlich sind 5 Millionen Euro nicht ausreichend, um die Mängel in der psychischen Gesundheitsversorgung von Frauen (und Männern) zu beheben. Aber zumindest wissen Sie ja nun, dass Sie nicht auf dem übrigen Geld sitzen bleiben müssen. Das sind doch alles in allem gute Nachrichten.

Hochachtungsvoll,

eine Bürgerin

 

Links zum Thema:

„Kabinettsbeschluss: Spahn bekommt fünf Millionen Euro für Studie zu Abtreibungen“ – Spiegel Online

„Schwangerschaftsabruch: Gesundheitsministerium rechtfertigt geplante Studie“ – Zeit Online

„Schwangerschaftsabbrüche: Spahns Studie zeugt von Misstrauen gegenüber Frauen“ – Meredith Haaf – Sueddeutsche.de

„STUDIE ZU ABTREIBUNGEN : Was erhofft sich Jens Spahn davon?“ – JULIA BÄHR -FAZ

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